Was hätte damals gegen die Diagnose sprechen können ?

Am Tag nach der Entlassung suchte ich einen umweltmedizinisch tätigen Facharzt für Allgemeinmedizin auf. Den in seiner Praxis erhobenen immunologischen Untersuchungsbefunden konnte ich folgende Gründe gegen eine gesicherte ALS-Diagnose entnehmen (ich zitiere aus einem Brief vom 30.01.19 an meinen damaligen Neurologen):

1. Zytotoxische CD8-T-Zellen, NK-Zellen, Treg
Aus der Studie „Cytotoxic CD8 T-lymphozytes expressing ALS-Causing SOD1 mutant selectively trigger death of spinal motoneurons“ (2019) {1} entnehme ich, dass es die zytotoxischen T8-Zellen sind, die eine signifikante Rolle bei der Pathogenese von ALS spielen. Aus der Studie „Alterations of T-Cell Subsets in ALS: a systemic immune activation?“ (2012) {2} zitiere ich das folgende Resultat: „CD8 cytotoxic T cells and natural killer (NK) T cells were significantly increased in our patients with ALS compared with the control group (P = 0.02 and P = 0.04, respectively). Treg cells were significantly reduced compared with normal controls (P = 0.01)“. Demgegenüber entnehme ich aus meinen immunologischen Befunden vom 19.12.2018 eine normale Anzahl zytotoxischer CD8 T-Zellen und eine normale Anzahl NK-Zellen (von welchen jedoch zu wenig CD57 ausgeht). Meine Treg-Zellen sind ebenfalls im Normalbereich.


2. CD4/CD8 Verhältnis

Aus der Studie „Comprehensive immune profiling reveals substantial immune profile alterations in patients with ALS“ (2017) {3} entnehme ich, dass das CD4/CD8 Verhältnis bei ALS signifikant gegenüber gesunden Patienten erhöht ist. Ich entnehme des Weiteren, dass auch in der Totalanzahl sowohl CD4 als auch CD8 Zellen bei ALS signifikant erhöht sind gegenüber gesunden Patienten. Demgegenüber entnehme ich aus meinen immunologischen Befunden, dass sich mein CD4/CD8 Vehältnis unterhalb der Norm befindet. Meine CD4 Zellen sind ebenfalls unterhalb der Norm, während die zytotoxischen T8 Zellen im Normbereich sind.

 

Kurz und gut: Mein immunologisches Profil passte überhaupt nicht zu jenen Profilen, die bei ALS-Patienten typischerweise dokumentiert wurden.  Es hätte dementsprechend  wissenschaftlich standfeste  Sachverhalte gegeben, die einen Zweifel an der gesicherten Diagnose ALS begründet hätten, wenn man in der Klinik nach ihnen geforscht hätte. Daraus hätte sich eventuell die Schlussfolgerung ergeben, es bei der Verdachtsdiagnose zu belassen und der Untersuchung möglicher Alternativen mehr Zeit einzuräumen.

 

{1} Coque E, Salsac C, Espinosa-Carrasco G, Varga B, Degauque N, Cadoux M, Crabé R, Virenque A, Soulard C, Fierle JK, Brodovitch A, Libralato M, Végh AG, Venteo S, Scamps F, Boucraut J, Laplaud D, Hernandez J, Gergely C, Vincent T, Raoul C. Cytotoxic CD8+ T lymphocytes expressing ALS-causing SOD1 mutant selectively trigger death of spinal motoneurons. Proc Natl Acad Sci U S A. 2019 Feb 5;116(6):2312-2317. doi: 10.1073/pnas.1815961116. Epub 2019 Jan 23. PMID: 30674678; PMCID: PMC6369778.

{2} Rentzos M, Evangelopoulos E, Sereti E, Zouvelou V, Marmara S, Alexakis T, Evdokimidis I. Alterations of T cell subsets in ALS: a systemic immune activation? Acta Neurol Scand. 2012 Apr;125(4):260-4. doi: 10.1111/j.1600-0404.2011.01528.x. Epub 2011 Jun 9. PMID: 21651502.

{3} Gustafson MP, Staff NP, Bornschlegl S, Butler GW, Maas ML, Kazamel M, Zubair A, Gastineau DA, Windebank AJ, Dietz AB. Comprehensive immune profiling reveals substantial immune system alterations in a subset of patients with amyotrophic lateral sclerosis. PLoS One. 2017 Jul 25;12(7):e0182002. doi: 10.1371/journal.pone.0182002. PMID: 28742871; PMCID: PMC5526569.

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