War die Diagnose ALS gerechtfertigt ?

Um es ganz klar zu sagen: Nein! ALS ist eine Ausschlussdiagnose und darf nur gestellt werden, nachdem alle in Frage kommenden Alternativen negativ getestet wurden. Dass dies nicht ausreichend getan wurde, habe ich anhand meines immunologischen Profils dargelegt. Mag dies aber lediglich als unspezifischer Hinweis gedeutet werden, so handelt es sich bei dem Antikörpernachweis um den eindeutigen Beleg, dass in meinem Körper etwas anderes als ALS im Gange war. Damit habe ich aus der Perspektive des diagnostischen Regelwerks das Recht zu der Feststellung: DIESE DIAGNOSE WAR UNZULÄSSIG.

Ich könnte allerdings - losgelöst von den Fesseln dieser folgenschweren Fehldiagnose - genauso gut argumentieren, dass ich zum Zeitpunkt der Diagnose tatsächlich eine ALS hatte. Mit dem extrem hohen Neurofilamentwert im Sinn, muss ja ein Feuer dort sein, wo Rauch aufsteigt. Daraus ergibt sich dann aber zwingend, dass ich innerhalb von Monaten mit vorwiegend antioxidativer Ernährung und Entgiftung die ALS  besiegt habe! Diese ketzerisch anmutende Behauptung wird plausibel vor dem Hintergrund, dass sowohl ich als auch meine Behandler in Unkenntnis der Autoantikörper waren und weiterhin für ALS gehalten haben, was als Resterkrankung in Wirklichkeit eine Myasthenia Gravis war.

Demzufolge wäre ALS also heilbar, wenn man sie nämlich nicht als disjunktes nebulöses Phänomen begreift, sondern als eine von mehreren möglichen Exacerbationen von oxidativem Zellstress, die auch parallel zueinander aufzutreten vermögen und Wechselwirkungen miteinander haben. Ein unbeabsichtigtes Selbstexperiment unterstützte mich bei dem Gedanken.

Als ich die Behandlung der MG mit dem Acetylcholinesterase-Hemmer Mestinon beginnen wollte, konnte die Apotheke es nicht liefern. Ich griff auf ein Generikum namens Kalymin zurück, da es ja denselben Wirkstoff hatte. Nach erster Reduzierung der ohnehin schon schwach ausgeprägten Symptome erhöhte ich die Dosierung und plötzlich entwickelte sich rasch eine unangenehme Muskelspannung mit ausgeprägten Faszikulationen, wie ich es aus der Frühphase der Erkrankung kannte.

Nachdem ich einige Tage ratlos vor mich hin faszikulierte, sah ich mir die Inhaltsstoffe von Kalymin an. Es beinhaltet Glutaminsäure. Glutamin ist für viele Prozesse im Körper äußert nützlich, wird aber präsynaptisch zu Glutamat umgebaut. Darüber hinaus waren die Symptome auf Kopf und Oberkörper beschränkt - dem Strahlungsbereich meines PC. Ich setzte Kalymin ab und war innerhalb von Stunden wieder symptomlos.

Die Mischung aus Glutamat und EMF ist also imstande, innerhalb der engsten zeitlichen Klammer und körperlich scharf abgegrenzt ALS-Symptome bei mir zu produzieren. Es gibt keine Handhabe, diese Episode auf ein langfristiges chronisch-progressives Modell (beta-Amyloide) zurückzuführen sondern es handelt sich um ein rein umweltbezogenes Ereignis. Mit weiteren Überlegungen fiel mir ein, dass meine erste symptomfreie Episode begann, als ich in einer Intensivpflege Einrichtung untergebracht werden musste. Statt gekochtem Essen erhielt ich dort künstliche Nahrung, die mir aus einer Tüte über einen ebenso künstlichen  Zugang in den Magen injiziert wurde. Wochenlang war ich frei von Glutamat und von Faszikulationen - bis ich in einer anderen Einrichtung wieder gekochtes Essen bekam. Offensichtlich spielt also durch Umweltereignisse ausgelöster zellulärer Stress eine bedeutende Rolle. Ist es eventuell möglich, meinen Verlauf und das klinische Bild zum Zeitpunkt der Diagnose aus dieser Perspektive und ohne Rückgriff auf beta-Amyloide zu erklären? Kann es sein, dass eine ALS ähnliche Symptomatik auch ohne chronisch-progressiven Charakter auftreten kann?

Selbstverständlich ist es möglich, dass die Symptome und die Neurofilamente damals in einem direkten Zusammenhang mit beta-Amyloiden standen. Es ist auch möglich, dass dies heute noch der Fall ist und ich werde diese Frage mit Laborergebnissen beantworten. Ich werde in den nächsten Kapiteln auch darstellen, dass es für einen wirkungsvollen Therapieansatz absolut bedeutungslos ist, ob oder warum ich Neurofilamente produziere. Dieser Wert ist nur von Bedeutung für die Feststellung ob der neuronale Abbau weiter fortgeschritten ist oder beendet ist.

Vorweg zitiere ich aus einem Dokument des Universitätsklinikums Ulm (2019): "Nach aktuellem Wissensstand steigen die Neurofilamente bereits früh im Erkrankungsprozess der ALS an und bleiben dann auch auf hohem Niveau (...). Die Höhe der Neurofilamente scheint hierbei mit der Prognose zu korrelieren." {15}. Ich werde diese Aussage später zum Maßstab nehmen, denn seitdem die NF-L bevorzugt im Serum statt im Liquor gemessen werden, scheint diesem Zitat zufolge die prognostische Validität des Biomarkers gestiegen zu sein.

Es ist auch bedeutungslos, ob die Reaktion auf die Zufuhr und den Stopp von Glutamat in einem Zusammenhang mit einem schadhaften Gen (z. B. TDP-43) steht. Das beantwortet nicht die von mir gestellten Fragen zu meinem Verlauf. Hilfreich wäre es aber, alle vorherigen Tests noch einmal zu wiederholen um die heutige Situation in meinem Körper zu erfassen. Dann wäre es auch möglich, die obige Feststellung der Unzulässigkeit der Diagnose aus laboranalytischer Sicht neu zu diskutieren.

 

{15} https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Neurologie/Labor/Neurofilamente_im_Serum_und_Liquor_INFO.pdf

 

 

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